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Wissenschaft persönlich: Prof. Dr. Tilo Halaszovich

Professor Dr. Halaszovich steht in der Jacobs University Bremen in der Empfangshalle
Prof. Dr. Tilo Halaszovich lehrt an der Jacobs Universität Bremen in den Fachbereichen Business & Economics und Internationales Management. In seinem aktuellen Forschungsprojekt untersucht er die Auswirkungen von Covid-19 auf in- und ausländische Unternehmen in Subsahara-Afrika.

© WFB/Jonas Ginter

Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.

Prof. Dr. Tilo Halaszovich von der Jacobs Universität Bremen steht uns im Monat April 2021 Rede und Antwort: Warum er einem Unbekannten sehr dankbar ist, Bremens Wissenschaftsszene als Zoo betrachtet und warum er nur zufällig in Bremen gelandet ist lest ihr im Interview:

  • Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftler geworden wären?

Ich hatte eigentlich immer zwei große Interessenbereich: Wirtschaft und Psychologie. Das habe ich dann zwei Jahre lang auch versucht parallel zu studieren – was nicht so wirklich gut geklappt hat. Am Ende musste die Psychologie weichen. Als Alternative zur Wissenschaft hätte es dann für mich nur die Selbstständigkeit gegeben. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht gut vorstellen, als Angestellter in einem Unternehmen zu arbeiten.

  • Wann finden Sie Ihren Job klasse? Welche Momente sorgen für Begeisterung?

Die Kombination aus Forschung und Lehre machen diesen Job so unglaublich spannend. Und in beiden Feldern gibt es großartige Momente. In der Forschung kann es für Begeisterung sorgen, wenn ein theoretisch hergeleiteter Sachverhalt sich empirisch bestätigt und man hierüber einen Mehrwert schaffen kann. In der Lehre begeistert es mich, wenn Studierende mit dem Wissen, das wir ihnen im Hörsaal vermitteln, anfangen zu experimentieren und über das Lehrbuch hinausdenken. Vor einiger Zeit kam ein Student im zweiten Semester zu mir und meinte „Ich finde dieses Forschungsthema so spannend, da würde ich gerne mit dran arbeiten.“ Ein Jahr später haben wir unsere Ergebnisse gemeinsam auf einer internationalen Konferenz vorgestellt! Das hat mich nicht nur begeistert, sondern absolut beeindruckt.

  • Stellen Sie sich vor, Sie hätten auf dem Freimarkt einen Stand und müssten nun den Besuchern erklären, an was Sie gerade arbeiten – wie sähe Ihr Stand aus?

​​​​​​​Die eine Seite des Stands würde sehr „europäisch“ aussehen, die andere Seite sehr „afrikanisch“. In der Mitte wären dann zahlreiche Beispiele von Innovationen und Produkten, die aus der Kooperation von Unternehmen aus beiden Regionen entstanden wären. Um meine Arbeit aber wirklich zu erläutern, müsste ich wohl einige Unternehmer aus Afrika einladen, die dann mit den Besuchern aus Bremen gemeinsame Workshops durchführen.

  • Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Ihre Arbeit und worin besteht der Nutzen?

​​​​​​​Im internationalen Management geht es um die Frage der Ausgestaltung grenzüberschreitender, wirtschaftlicher Tätigkeiten und der Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den Ländern. In meinem Fall sind dies insbesondere Tätigkeiten in Schwellen- und Entwicklungsländern. Das heißt, ich befasse mich im weitesten Sinne mit Fragen der Globalisierung und – zumindest ist das für mich zentral – damit, wie diese ausgestaltet werden sollte, um auch in wirtschaftlich schwachen Regionen zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation für die Menschen vor Ort zu führen. Wir bemühen uns Rahmenbedingungen und Strategien zu identifizieren, von denen alle Beteiligten profitieren können und diese empirisch zu belegen.

  • Wann sprechen Sie bei Ihrer Arbeit von Fortschritt? Oder anders gefragt: Womit retten Sie die Welt?

​​​​​​​Ob ein Wirtschaftswissenschaftler die Welt retten kann, lässt sich wahrscheinlich kontrovers diskutieren. Fortschritte machen wir aber bereits dann, wenn Organisationen und Unternehmen Interesse an unserer Arbeit zeigen und damit signalisieren, dass auch sie an einer kooperativen und produktiven Zusammenarbeit interessiert sind.

  • Verraten sie uns Ihr liebstes Arbeitsinstrument oder Ihre wichtigste Forschungsmethode?

​​​​​​​Mein liebstes Arbeitsinstrument ist ein Whiteboard mit mindestens drei verschiedenfarbigen Stiften. Dazu braucht es dann nur noch 1-2 Kolleg*innen und man kann die spannendsten Forschungsthemen erarbeiten. In der Umsetzung wird es dann mitunter weniger farbenfroh, da ich selbst primär mit quantitativen Methoden, also mit Zahlen und Statistik, arbeite. Was allerdings trotzdem sehr viel Spaß machen kann.

  • Wann und warum führte Sie Ihr Weg nach Bremen? Und woher kamen Sie?

​​​​​​​In Bremen bin ich tatsächlich eher zufällig gelandet. Nach meinem Studium an der RWTH Aachen hatte ich ein Promotionsstipendium der Firma Henkel AG & Co. KGaA in Düsseldorf. Auf der Suche nach einem Betreuer bzw. einer Betreuerin habe ich Prof. Dr. Burmann von der Uni Bremen gefunden. Meinen ersten Besuch in Bremen habe ich dann auch dazu genutzt, ihm mein Thema vorzustellen. Nach drei Jahren im Konzern stand dann für mich fest, dass ich in die Wissenschaft gehen wollte. Ich hatte das Glück, dass ich an der Uni Bremen eine PostDoc Stelle angeboten bekommen habe. Das war im Winter 2009/10. Dass ich dann 2017 an die Jacobs University Bremen berufen wurde, hat mich sehr gefreut.

  • Was schätzen Sie am Land Bremen als Wissenschaftsstandort? Was hält Sie hier?
    Für mich persönlich liegt der Reiz von Bremen als Wissenschaftsstandort primär darin, dass ich an beiden Universitäten langjährig arbeiten konnte. Für mich also die Kooperation und der Austausch mit den Kollegen an beiden Institutionen gut funktioniert. Die Jacobs University Bremen, im Besonderen, bietet mir in meinem Forschungsfeld ein unschätzbar wertvolles Umfeld. Da unsere Studierenden aus aller Welt kommen, bringen sie einen unfassbaren Erfahrungsschatz mit. Ich glaube fest, dass ich in den Diskussionen im Hörsaal, auf dem Campus oder den Mensen mehr über die Hintergründe und Gegebenheiten in Auslandsmärkten gelernt habe, als es mir an irgendeiner anderen Institution möglich gewesen wäre. „Nothing beats local knowledge.“ Und dieses lokale Wissen teilen unsere Studierenden sehr gerne.

  • Fehlt Ihnen etwas?

​​​​​​​Was ich mir dringend wünschen würde, ist eine geänderte Wahrnehmung und Wertschätzung zwischen dem Land Bremen und der Jacobs University Bremen. Ich glaube aber, dass hier – ungeachtet der derzeit schwierigen Situation – auf beiden Seiten ein Umdenken stattfindet. Wir sind ein Teil von Bremen und haben uns wechselseitig viel zu bieten (und dabei denke ich jetzt nicht an Finanzierungen oder ähnliches).

  • Die Wege in Bremen und Bremerhaven sind bekanntlich kurz. Wie bewegen Sie sich durch die Stadt?

​​​​​​​Früher habe ich immer gedacht „In Bremen braucht man eigentlich nur die S6 und seine Füße.“ Da ich allerdings schon seit einigen Jahren in Worpswede wohne, bewege ich mich jetzt eher mit dem Auto zur Stadt – wechsle dann aber so schnell wie möglich wieder wahlweise in die S4 (von Lilienthal kommend) oder die Nordwestbahn – der Rest ist dann wieder zu Fuß zu bewältigen.

  • Wenn Sie die Wissenschaftsszene im Land Bremen mit einem Tier vergleichen sollten, welches würden Sie wählen und warum?

​​​​​​​Die Frage ist schwer… Mir fällt jedenfalls kein einzelnes Tier ein, da ähnelt die Wissenschaftsszene schon eher einem kleinen Zoo oder tatsächlich auch den Stadtmusikanten. Als ich damals bei Henkel einen ehemaligen Personalvorstand kennengelernt habe und ihm erzählte an welcher Universität ich promoviere, war das Feedback – sagen wir mal – durchwachsen. Es war das erste Mal, dass ich in dem Zusammenhang etwas über rote Laternen gehört hatte. Aber wie die Stadtmusikanten hat die Wissenschaft in Bremen sich zu einer internationalen Größe entwickelt, die weltweit einen hervorragenden Ruf genießt.

  • Was war die größte Herausforderung Ihrer wissenschaftlichen/beruflichen Laufbahn, die Sie zu meistern hatten?

​​​​​​​Mir in meiner Promotionszeit selbst klarzumachen, dass ich nicht am langweiligsten Thema der Welt arbeite und mich dabei auch noch ausgesucht ungeschickt anstelle. Den Eindruck hatte ich damals 1-2-mal im Jahr. Heute weiß ich, dass diese Erfahrung zur Promotion dazugehört wie am Ende der Doktorhut.

  • Welche stehen Ihnen noch bevor?

​​​​​​​Ähnlich wie bei Ärzten und Lehrern besteht auch bei Professoren immer die Gefahr, irgendwann davon auszugehen, dass man ja ohnehin recht hat. Ich hoffe sehr, dass meine Studierenden auch zukünftig kritisch genug hinterfragen was ich so sage, damit das niemals passiert

  • Haben Sie eine persönliche Erfolgsformel?
    Auch wenn es nervig (langweilig, blöd, gerade unpassend, …) ist, mach es einfach!

  • Aus welchem Scheitern haben Sie am meisten gelernt?

​​​​​​​Als ich mein erstes Paper bei einer internationalen Fachzeitschrift eingereicht habe, dem Gutachter wohl direkt klar wurde „der Autor hat das noch nicht oft gemacht“ und das Paper umgehend abgelehnt wurde. Der Gutachter war aber so freundlich, mir einen sehr langen Text zu schreiben, mit vielen Hinweisen darauf was man definitiv anders machen sollte. Das hat zunächst sehr weh getan, aber ehrlich gesagt bei allen weiteren Publikationen sehr geholfen. Auch wenn ich nicht weiß, wer das damals war, bin ich dem Gutachter immer noch dankbar.

  • Wobei oder wodurch wird Ihr Kopf wieder frei?

​​​​​​​Am besten hilft bei mir Wandern mit meiner Frau. Das ist in Norddeutschland zwar nicht immer ganz so spannend (hier fehlen ein paar Berge), aber helfen tut es trotzdem.

  • Der/Die nächste Nachwuchswissenschaftler/in zieht nach Bremen. Was würden Sie ihm/ihr raten, wo er/sie wohnen und abends weggehen soll?

​​​​​​​Zum Wohnen würde ich Schwachhausen empfehlen – da habe ich jedenfalls viel über „die Bremer“ gelernt und der Bürgerpark ist auch nicht weit weg. Als Nachwuchswissenschaftler ist abends das Viertel sehr nett – solange es einen nicht stört, ständig die eigenen Studierenden zu treffen.

  • Mit wem würden Sie ihn/sie hier in Bremen oder Bremerhaven bekannt machen wollen?

​​​​​​​Ehrlich gesagt fällt mir da niemand im speziellen ein. Ich würde aber dringend empfehlen, in möglichst vielen Stadtteilen mit verschiedenen Menschen zu sprechen. Die Lebenswelten sind so unterschiedlich, dass man hierüber eine Ahnung der Vielfalt innerhalb Bremens bekommen kann.

  • Wenn Sie einen Tag lang Ihr Leben mit einer/m Bremer/in oder Bremerhavener/in tauschen könnten, wessen Leben würden Sie wählen?

​​​​​​​Eigentlich bin ich mit meinem Leben ja rundherum zufrieden und bräuchte nicht tauschen. Wenn ich aber wählen muss, dann würde ich mit einem Mitarbeiter des Auswandererhauses in Bremerhaven tauschen wollen. Die Geschichten der älteren Besucher über Verwandte oder auch eigene Erfahrungen fände ich sehr spannend.

Portrait von Professor Dr. Tilo Halaszovich

Portrait Professor Dr. Tilo Halaszovich

Wissenschaftler und Professor

© WFB/Jonas Ginter

Prof. Dr. Tilo Halaszovich

Geburtsjahr

1978

Fachbereich / Forschungsfeld

Business & Economics / Internationales Management

Aktuelle Position / Funktion

Professor of Global Markets & Firms, Study Program Chair Bachelorprogramme: “International Business Administration” & “Global Economics and Management”, Leitung J-CUB | The Start-Up Option (Start-Up Förderung der Jacobs University Bremen)

Aktuelle Tätigkeit / aktuelles Forschungsprojekt

Die Auswirkungen von Covid-19 auf in- und ausländische Unternehmen in Subsahara-Afrika

Familienstand

Sehr glücklich verheiratet

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