Quelle: ZARM, Universität Bremen
Denkt man an den "freien Fall" und "Bremen", kommt einem direkt der Fallturm der Universität Bremen am Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) in den Sinn. Eines der Wahrzeichen des Wissenschaftsstandortes Bremen und schon von weitem sichtbar. Wer kennt ihn nicht in Bremen - doch wer von Ihnen hatte schon mal die Gelegenheit hinter die Mauern des europaweit einzigartigen Fallturms zu schauen und sich erklären zu lassen, was es mit den Experimenten auf sich hat, die dort unter kurzzeitiger Schwerelosigkeit durchgeführt werden? Wie funktioniert der Fallturm und was geschieht darin?
An einem sonnigen Samstagvormittag führte uns also der Weg ins ZARM, wo uns der gut gelaunte Gästeführer Mikka Pilath bereits erwartete. Das Besucherpublikum war breit gefächert: Von Schülern und Schülerinnen mit ihren Eltern, über Studierende bis hin zu älteren Damen und Herren - alle Altersklassen waren anwesend und gespannt, auf das, was sie heute erwarten wird. Es begann mit einer kurzen Präsentation in der Pilath uns Grundsätzliches über das ZARM und den Fallturm näher brachte. Hört sich trocken an, war es aber keineswegs! Der perfekte Einstieg, um ins Thema reinzukommen.
Quelle: WFB
Und schon nach kurzer Zeit wurde eine Frage beantwortet, die uns allen auf den Lippen lag: Der Turm ragt 146 Meter in die Höhe und ist damit (lässt man jetzt mal die Kraftwerke außen vor) hinter dem Fernsehturm in Walle das zweithöchste Bauwerk in Bremen. Große Augen haben wir gemacht, als uns klar wurde, dass wir hier eigentlich über zwei Türme reden: Denn der vermeintlich als Fallturm bekannte "Bleistift" ist gar nicht der Fallturm. Der befindet sich tatsächlich im Inneren des 1989 erbauten Gebäudes. Der innere Turm ist fest im Fundament verankert und nicht beweglich. Der äußere hingegen schwankt und hält Wind und Wetter stand. Steht man oben in der Spitze des Fallturms, merkt man das auch bei entsprechender Wetterlage. Das war bei dieser Führung allerdings nicht der Fall, was der Begeisterung aber keinen Abbruch tat. Denn Pilath verstand es mit viel Begeisterung und reichhaltigem Wissen Interessantes wie Spannendes über die Entstehungsgeschichte des Turms und seiner aktuellen Nutzung als Testanlage für Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen aus der ganzen Welt zu vermitteln. Selbst die technischen Fakten waren für uns Laien verständlich und ließen uns so auch die Möglichkeit für weitere Nachfragen.
Quelle: WFB
Was im Fallturm vor sich geht, wissen wir jetzt: Durch das Erzeugen von Vakuum wird im Fallturm Schwerelosigkeit imitiert und der freie Fall untersucht – bei einer Dauer von bis zu 10 Sekunden! Dafür wird dreimal täglich eine Kapsel von einem Gewicht von bis zu einer Tonne unter Vakuum mit einem Katapult in die Höhe befördert und anschließend fallen gelassen. Und dies geschieht seit 2004 fehlerfrei! Wir hörten mit großem Interesse zu, stellten Fragen und diskutierten auch untereinander: "Wieso muss das Vakuum jedes Mal aufs Neue erzeugt werden? Könnte eine Art Schleuse zum Beibehalten des Vakuums nicht hilfreich sein, um Zeit zu sparen?" – Die Antwort ist bejahend und zugleich relativierend, denn obwohl der Besucher schon den richtigen Riecher hatte, aus Kostengründen hat man sich beim Bau des Turms trotzdem dagegen entschieden. Eine der häufigsten Anwendungsfälle bei den Tests sind übrigens Untersuchungen im Fallturm, die sich mit den Reaktionen von Stoffen unter Schwerelosigkeit beschäftigen. Dafür werden nicht nur weltraumbezogene Produkte untersucht, sondern auch Produkte aus unserem Alltag. Ein einfaches Beispiel: Unter Schwerelosigkeit wurde in Bremen untersucht, ob und wie man eine der vier für Windeln verwendeten Schichten einsparen und somit auf einen Teil Mikroplastik verzichten kann.
Auch der Spaß kam bei all den Informationen rund um den Fallturm und seine Aufgaben nicht zu kurz: In Handexperimenten konnten wir die Schwerelosigkeit vor Ort entdecken. Denn nicht nur auf der Internationalen Raumstation, der ISS, auf der sich die Astronauten und Astronautinnen in ständigem freiem Fall befinden, sondern auch im Alltag lässt sich diese finden: beim Schaukeln, Achterbahnfahren oder in der Küche beim Suppe einschenken. Und schwerelos fühlt man sich dann auch, wenn man unter Zeitdruck das Haus verlässt und von einem Termin zum nächsten rennt!
Quelle: WFB
Nach der Führung nutzten wir die Gelegenheit und sprachen mit einem Besucherpaar. Wir fragten nach ihren Eindrücken und was sie heute hierhin verschlug. Hier die Antworten des netten Herrn:
"Ich war vor 27 Jahren damit beschäftigt, in dieser Dimension Vakuum zu messen und herzustellen und das unter ökonomischen Gesichtspunkten. Das war ein spannendes Thema, mit dem ich beruflich als Ingenieur konfrontiert wurde. Später habe ich die Vakuumtechnik verlassen, dieses Projekt aber nie aus den Augen verloren. Vor allem, wenn man regelmäßig dieses markante Bauwerk gesehen hat. Jetzt bin ich 77 und schon in Rente, habe aber nie das Interesse an dem Thema verloren. Weil ich immer mit Begeisterung über Technik und das Thema rede, bekam ich dann von meiner Frau das ungewöhnliche Weihnachtsgeschenk: Die Besichtigung des Fallturms nach fast 20 Jahren Kontaktlosigkeit zu dem Thema!
Und es ist immer noch begeisternd. Das Vakuum ist ein technischer Superlativ. Es ist wie der absolute Nullpunkt der Temperatur: Ende der Messskala! Alles das, was unter einem bestimmten Messwert ist, wird spannend für den Techniker!"
Wie schön, wenn die Begeisterung für Raumfahrt und raumfahrtnahe Themen selbst noch nach mehreren Jahrzehnten anhält!
Quelle: WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH/T. Vankann
Quelle: DLR
Quelle: WFB/Jonas Ginter