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Wissenschaft persönlich: Dr. Juliane Müller

Dr. Juliane Müller
Helmholtz Nachwuchsgruppenleiterin im Alfred-Wegener-Institut (AWI)

© WFB/Ginter

Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.

Im Februar 2017 stand uns Dr. Juliane Müller Rede und Antwort. Die Geowissenschaftlerin forscht am Alfred-Wegener-Institut im Helmholtz-Zentrum für Polarforschung zur Rekonstruktion von Paläo-Meereisbedingungen.

  • Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftlerin geworden wären?
    Am Ende meiner Schulzeit habe ich tatsächlich damit geliebäugelt, zur Kriminalpolizei zu gehen. Mich hat die Vorstellung gereizt, auf Spurensuche zu gehen und Puzzlestücke zusammenzusetzen, um einen Fall zu lösen. Letztendlich mache ich nun nichts anderes - nur geht es um das Klima der Vergangenheit und nicht um Mord- und Totschlag.
  • Wann finden Sie Ihren Job klasse? Welche Momente sorgen für Begeisterung?
    Am nachhaltigsten beeindrucken mich immer die Schiffsexpeditionen, wenn wir mit der Polarstern in den Polarregionen unterwegs sind. Der scheinbar endlos weite, mit Meereis bedeckte Ozean oder auch die gigantischen Tafeleisberge... das sind Bilder, die haften bleiben. Aber natürlich kommt auch zu Hause am Institut Begeisterung für den Job auf: zum Beispiel, wenn ich die Daten einer Untersuchung zusammentrage und sich, ähnlich wie im Kriminalfall, die Puzzleteile zusammenfügen und Aufschluss geben, wie und warum es in der Vergangenheit zu Klima- und Umweltveränderungen kam.
  • Stellen Sie sich vor, Sie hätten auf dem Freimarkt einen Stand und müssten nun den Besucherinnen und Besuchern erklären, an was Sie gerade arbeiten – wie sähe Ihr Stand aus?
    Ich würde wahrscheinlich einen Wäschekorb aufstellen. Daran kann man auch Kindern gut erklären, wie wir aus Sedimentkernen das Klima der Vergangenheit "lesen". In dem Wäschekorb würden die unten liegenden Sommerkleider und kurzen Hosen als Indiz für den warmen Sommer im letzten Jahr herhalten, während die dicken Socken und Wollpullover, die darüber liegen, verraten, dass es kürzlich sehr kalt war. Mit deutlich komplizierteren Methoden, aber nach einem ähnlichen Prinzip, identifizieren wir in den Schichten eines Bohrkerns warme und kalte Klimaperioden.
  • Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Ihre Arbeit und worin besteht der Nutzen?
    Der momentane Klimawandel betrifft auch Deutschland. Sicherlich nicht in dem Ausmaß, wie ganze Inselstaaten beispielsweise schon jetzt unter dem Meeresspiegelanstieg leiden, aber langfristig werden auch in Deutschland die ökologischen und ökonomischen Folgen zu spüren sein. Mit unserer Forschung, wie und warum sich das Klima in der Vergangenheit verändert hat, tragen wir zu einem besseren Verständnis der heutigen Wechselwirkungen im Klimasystem bei. Dieses Wissen unterstützt schließlich die Entwicklung von Handlungsstrategien, um dem Klimawandel zu begegnen bzw. sich an dessen Auswirkungen anzupassen.
  • Wann sprechen Sie bei Ihrer Forschung von Fortschritt? Oder anders gefragt: Womit retten Sie die Welt?
    Ich denke nicht, dass wir die Welt retten. Auf Basis unserer Forschungsdaten, die auch dazu beitragen Klimamodelle zu verbessern, können wir aber Empfehlungen abgeben, wie sie gerettet werden könnte. Ob Politik und Wirtschaft diesen Empfehlungen folgen, liegt jedoch nicht in unserer Hand.
  • Verraten sie uns Ihr liebstes Forschungsinstrument oder Ihre wichtigste Forschungsmethode?
    Mein liebstes Forschungsinstrument sind bestimmte Moleküle, die wir in den Sedimentkernen der polaren Breiten finden. Diese speziellen Moleküle - auch Biomarker genannt - werden von Algen produziert, die im Meereis leben. Wenn das Eis schmilzt, sinken die Algen zum Meeresboden, wo sie allerdings oft zersetzt werden. Die von uns so heiß geliebten Biomarker bleiben allerdings intakt und können, eingebettet im Sediment, mehrere Tausend und sogar Millionen Jahre überdauern. Bis wir sie aufspüren.
  • Wann und warum führte Sie Ihr Weg nach Bremerhaven? Und woher kamen Sie?
    Nach dem Studium der Geowissenschaften in meiner Heimatstadt Berlin, wollte ich im Bereich der Biomarkerforschung, in die ich bereits während meiner Diplomarbeit hineinschnuppern konnte, bleiben. Zufällig war zum richtigen Zeitpunkt eine Doktorandenstelle am AWI in Bremerhaven ausgeschrieben, in der Biomarker zur Rekonstruktion vergangener Umweltbedingungen in der Arktis zum Einsatz kommen sollten. Da habe ich nicht lange gezögert...
  • Was schätzen Sie am Wissenschaftsstandort? Was hält Sie hier?
    Das Alfred Wegener Institut ist DAS deutsche Forschungsinstitut im Bereich der marinen Polar- und Klimawissenschaften. Hier arbeiten Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen unter einem Dach, was die Verknüpfung der eigenen Forschung mit den Studien der Kollegen aus anderen Fachbereichen deutlich erleichtert und zu wertvollen Synthesen führt. Dass das Institut nicht in Bremen sondern in Bremerhaven angesiedelt ist, hat vor allem praktische Gründe: die Wege zwischen Institut und Forschungsschiffen sind kurz.
  • Die Wege in Bremen und Bremerhaven sind bekanntlich kurz. Wie bewegen Sie sich durch die Stadt?
    Vorzugsweise mit dem Rad. Wenn es ganz schlimm wettert, mit dem Bus.
  • Was war die größte Herausforderung Ihrer wissenschaftlichen Laufbahn, die Sie zu meistern hatten?
    Die größte Herausforderung bestand wohl darin, sich während der Doktorarbeit nicht zu verzetteln und, obwohl es so viele spannende Themenkomplexe in unserem Forschungsfeld gibt, immer den roten Faden im Auge zu behalten.
  • Welche stehen Ihnen noch bevor?
    Mit der Leitung meiner eigenen Nachwuchsgruppe übernehme ich jetzt viel personelle Verantwortung. Dass meine Doktoranden nicht nur umsetzen, was ich Ihnen vorgebe, sondern dass sie auch eigene Ideen entwickeln und diese erfolgreich realisieren, liegt mir sehr am Herzen. Und natürlich soll ihnen die Forschung auch Spaß machen!
  • Haben Sie eine persönliche Erfolgsformel?
    Einen guten Instinkt für mögliche Zusammenhänge und etwas Kreativität braucht es wohl schon. Und eine offene und ehrliche Kommunikation ist das A und O guter Wissenschaft.
  • Wobei oder wodurch wird Ihr Kopf wieder frei?
    Ich habe vor einigen Jahren mit dem Bogenschießen begonnen. Das ist eine wunderbare Möglichkeit, alles andere auszublenden. In letzter Zeit komme ich aber nur noch selten dazu, den Bogen in die Hand zu nehmen. Da muss dann eine kleine Frischluftpause auf dem Dach des Instituts reichen.
  • Der/Die nächste Nachwuchswissenschaftler/in zieht nach Bremerhaven. Was würden Sie ihm/ihr raten, wo er/sie wohnen und abends weggehen soll?
    Bremerhaven ist sicherlich nicht so lebendig wie Bremen. Dem Theater-, Musik- und/oder Literaturliebhaber bietet aber zum Beispiel der Pferdestall in Bremerhaven-Mitte ein abwechslungsreiches Programm. Das Stadttheater selbst ist natürlich auch eine wichtige Adresse. Und nicht zu vernachlässigen: die urigen Fischrestaurants im Fischereihafen.
  • Wenn Sie einen Tag lang Ihr Leben mit einem Bremerhavener oder einer Bremerhavenerin tauschen könnten, wessen Leben würden Sie wählen?
    Ich schaue immer gern den Schleppern zu, die die großen Frachtschiffe durch die Unterweser bugsieren. Einen Tag lang würde ich das auch gerne mal ausprobieren. Es muss spannend sein, so ein Kraftpaket zu steuern.

Dr. Juliane Müller

© WFB/Ginter

Steckbrief: Dr. Juliane Müller

Geburtsjahr

1981

Fachbereich / Forschungsfeld

Geowissenschaften / Polarforschung

Aktuelle Position / Funktion

Helmholtz Nachwuchsgruppenleiterin

Aktuelle Tätigkeit /aktuelles Forschungsprohekt

Rekonstruktion der Paläo-Meereisbedingungen

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