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Das Unbekannte als Motivation - Zu Besuch im IAT

Christian Siegmund lächelt im Flugsimulator in die Kamera.
Raumfahrt hautnah: Beim Open House öffnete das Institute of Aerospace Technology (IAT) seine Pforten. Wir sprachen im Vorfeld mit Christian Siegmund, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IAT.

© WFB / Freitag

Kurz umrissen: Welche Forschungsbereiche finden wir im IAT?

Wir beschäftigen uns am IAT mit angewandter Luft- und Raumfahrttechnik, die sich in verschiedene Bereiche gliedert. Von der Entwicklung gasgelagerter Prüfsysteme für Satellitenkomponenten bis hin zur Simulation von Windkraftanlagen und deren Optimierung sind wir stark aufgestellt.


Mit welchen Partnern und Einrichtungen arbeitet das IAT zusammen?

In Bremen ist die Luft- und Raumfahrtbranche eine Familie. Wir arbeiten mit Industriepartnern zusammen wie OHB, Airbus Group und Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), aber auch mit vielen, die trotz ihrer Bedeutung nicht so eine hohe Sichtbarkeit genießen. In Bremen haben wir Kooperations- und Anknüpfungspunkte mit den meisten Instituten, Einrichtungen und Firmen. Über Bremen hinaus haben wir Projektpartner in ganz Europa. Mehrere Projekte haben uns sogar bis nach China geführt.


Neben unseren Aktivitäten als Forschungseinrichtung pflegen wir auch als Bildungseinrichtung Kooperationen auf der ganzen Welt. Von Lettland bis nach Amerika arbeiten wir mit namhaften Universitäten wie beispielsweise der Embry-Riddle Aeronautical University zusammen und fördern somit auch den Studierendenaustausch.

Welche Möglichkeiten das IAT Studierenden bietet

Bachelor-Studiengänge

  • Internationaler Studiengang Luftfahrtsystemtechnik und -management B.Eng. (Pilotenausbildung)
  • Luftfahrtsystemtechnik und -management für Wartungsingenieure B.Eng.
  • Luft- und Raumfahrttechnik B.Eng.
  • Mechanical Production and Engineering B.Eng.

Master-Studiengänge

  • Aeronautical Management M.Eng.
  • Aerospace Technologies M.Sc.

Welche Studienmöglichkeiten und Aussichten auf Nebenjobs haben Studierende am IAT?

Wir sind eine Hochschule im klassischen Sinne. Das heißt, es ist immer "Mitmachen" angesagt: Theoretisch wird das Wissen vermittelt, aber die Studierenden können und müssen auch praktisch ran. Die Studiengangsangebote gliedern sich im Bereich Luft- und Raumfahrt in drei vielseitige Bachelor-Angebote:

Wir haben zum einen den klassischen Studiengang Luft- und Raumfahrttechnik, des Weiteren gibt es das Studienangebot Dualer Studiengang Mechanical- and Production Engineering.

Zudem bieten wir den internationalen dualen Studiengang Luftfahrtsystemtechnik und -management (ILST) an. Dieser Studiengang ist mehrfach ausgezeichnet worden. Die Studierenden absolvieren ein Luftfahrt-Ingenieurstudium, erwerben so den akademischen Titel Bachelor of Engineering und werden im Studiengang integriert zu VerkehrsflugzeugführerInnen ausgebildet. Diesen Studiengang bieten wir in Kooperation mit privaten Verkehrsfliegerschulen an. Geplant wurde das Studienangebot zusammen mit der Verkehrsfliegerschule der Lufthansa in Bremen.


Wir haben diese Kooperation dann erweitert um den Studienschwerpunkt für FlugzeugwartungsingenieurInnen.


Die jüngsten akkreditierten Studienschwerpunkte sind ILST für FlugsicherungsingenieurInnen und ILST für FlughafenbetriebsingenieurInnen. Den letzteren bieten wir in Kooperation mit dem Airport Bremen an.


Darauf aufbauend bieten wir noch zwei Masterstudiengänge an. Einerseits den Masterstudiengang Aeronautical Management (MEAM) und Aerospace Technologies (AT).


Die Studierenden haben als studentische Hilfskräfte wie auch im Rahmen ihrer Abschlussarbeit immer die Möglichkeit, sich auch in unsere Projekte zur angewandten Forschung einzubringen. Sie bekommen dadurch umso mehr einen Einblick in die Praxis.


Das Projekt STERN ist ein gutes Beispiel, in dem Studierende an der Hochschule beschäftigt werden, das Projekt langfristig begleiten und so für sich und ihren Werdegang einen Mehrwert erlangen.


STERN ist ein Projekt, das vom DLR ins Leben gerufen wurde, und sicherlich ein echtes Highlight für Studierende. Im Team entwickeln sie eine Höhenforschungsrakete und bekommen einen sehr realistischen Einblick in die Projektarbeit eines Raumfahrtunternehmens. Der Praxisbezug ist hier das Entscheidende und eine große Motivation für die Studierenden. Einige sind einen großen Teil ihrer Studienzeit in dem Projekt involviert. Das abschließende Highlight ist da natürlich die Reise zum Raketenstartplatz "European Space and Sounding Rocket Range" (kurz Esrange) nach Kiruna in Schweden. Hier erleben sie den Start selbst mit, die Hektik und den Stress davor und auch den Erfolg, wenn die Rakete erfolgreich gestartet ist.


Ein Raketenprojekt wie das STERN-Projekt bietet eigentlich alles, was man braucht. Das DLR führt STERN als Auftraggeber wie ein reales Raumfahrtprojekt. Wir haben im IAT als Auftragnehmer Deadlines, Abgabetermine und Projektpräsentationen. Es ist schön zu sehen, wie sich die Studierenden im Laufe des Projektes entwickeln. Wenn sie anfangen, haben sie noch wenig Gefühl dafür, worauf es ankommt, werden dann aber, wenn sie mehrere Jahre dabei sind, immer professioneller.


Welche Aussichten haben die Studierenden auf einen Job nach Ende des Studiums? Wofür sind sie qualifiziert und in welchen Bereichen sind die IAT-Alumni heute tätig?

Grundsätzlich, da wir für den Sektor Luft- und Raumfahrt ausbilden, kann man zum Beispiel mit dem Bachelor-Abschluss des Internationalen Studiengangs Luftfahrtsystemtechnik und -management, als LuftfahrtingenieurIn arbeiten oder eben direkt bei einer Airline einsteigen. Das ist für viele Absolventen ein Anreiz auch in der Airline über eine Karriere neben dem Cockpit nachzudenken – und dann haben sie das Handwerkszeug und die Qualifikation, das auch zu tun. Wir wissen von vielen Piloten, die sich bei ihrer Airline im Managementbereich einbringen und dort viele Ideen zur Weiterentwicklung der Airline beisteuern.


Klar ist die Luft- und Raumfahrt ein hart umkämpftes Feld, viele Leute möchten in den Bereich hinein, aber mit einer guten Qualifizierung hat man auch immer eine gute Chance. Durch die Projektarbeit hat man oft Anknüpfungspunkte gesammelt oder bereits einen Fuß in der Tür, wenn man hier am Luft- und Raumfahrtstandort Bremen Bachelor- und Masterthesen in Firmen schreibt. Einige machen sich auch selbständig, gründen ihre eigenen Unternehmen.

Christian Siegmund betätigt einen Gaslagertisch.

© WFB / Freitag

Bremen als Luft- und Raumfahrtstandort ist ein Alleinstellungsmerkmal

Die Vorteile und Nachteile des Raumfahrtstandortes Bremen sind…?

Nachteile? Das wird schwierig. Die Vorteile sind ganz klar, dass wir Luftfahrt- und Raumfahrtindustrie an einem Standort haben. Das ist wirklich einmalig. Wir haben die Schwergewichte aus dem Industriebereich hier, aber darüber hinaus auch mit dem Flughafen, mit der Deutschen Flugsicherung, und mit der Lufthansa Aviation Training wirklich viele schöne Anknüpfungspunkte, mit denen Bremen das Portfolio komplettiert.


Die Vorteile aus beruflicher Sicht und aus studentischer Sicht unterscheiden sich wenig. Bremen ist eine sehr lebenswerte Stadt mit kurzen Wegen, in der man wirklich alles schnell erreichen kann. Da hat man natürlich auch beruflich einen Vorteil, wenn man keine großen Pendelwege hat.


Was würden Sie sich wünschen für die künftige Ausrichtung?

Erstmal ist mir die Sichtbarkeit natürlich wichtig, dass man sich auch als BremerIn bewusst macht, was für eine Bedeutung Bremen als Luft- und Raumfahrtstandort international hat. Außerdem wird immer der Fokus auf den Technologiepark gelegt, aber die Airport-Stadt ist auch ein wichtiger Pol, der oftmals nicht so wahrgenommen wird. Die Unternehmen hier engagieren sich auch stark im Bereich Bildung und Nachwuchsförderung. Das zu honorieren, wäre auf jeden Fall ein Wunsch.

Das Unbekannte als Motivation

Was begeistert Sie an der Raumfahrt?

Was Leute allgemein an der Raumfahrt begeistert, was mich auch einschließt, ist das Unbekannte. Man hat die große Weite, und im Endeffekt einen scheinbar leeren Raum, den man erforschen möchte. Den Zustand "Weltraum" kennt man nicht. Schwerelosigkeit zum Beispiel ist etwas, was einen begeistert, vergleichbar mit dem Traum des Fliegens damals, bis man es dann gemeistert hat. Wenige Leute hatten die Möglichkeit, die Schwerelosigkeit zu erleben und zu erfahren. Technologien und Equipment zu entwickeln, die dort eingesetzt werden, Pionierarbeit zu leisten, das ist einfach eine sehr schöne Sache. Man kann schon ein bisschen stolz darauf sein, wenn man an in dem Bereich mitarbeiten darf.


Wie steht‘s um Ihren Werdegang: Welchen Ausbildungs- und Berufsweg haben Sie eingeschlagen? Und wohin soll die Reise für Sie noch gehen?

Ich habe in Amerika Luft- und Raumfahrtmanagement studiert, und wollte eigentlich Pilot werden, das war mein Kindheitstraum. Schon von der Grundschule an war das klar. Dann konnte ich mir die Ausbildung in Amerika aber nicht leisten, weil man dort die Flugstunden teuer bezahlen muss, und die Übertragbarkeit einer Lizenz nach Deutschland nicht ganz klar war.


Daraufhin habe ich mich für einen Management-Studiengang entschieden, der mich letztlich nach meinem Bachelor zum Masterstudiengang an die Hochschule nach Bremen geführt hat. Dort habe ich dann Aeronautical Management studiert und bin dann so angetan gewesen, auch von der Forschungsarbeit am Institut, dass ich gleich an der Hochschule geblieben bin und dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter nahtlos angeknüpft habe.


Gibt es bestimmte Projekte oder Ziele, die Sie gern realisieren würden? Welches Herzensprojekt würden Sie gerne angehen?

Mein Steckenpferd war schon immer die Nachwuchsförderung. Das wäre eine Sache, die man noch mehr intensivieren und strukturieren könnte. Viele Institutionen bringen sich ein, aber man könnte das noch besser abstimmen und besser zusammenarbeiten, um dann das gemeinsame Ziel zu erreichen, SchülerInnen und Studierende noch besser vorzubereiten, damit sie ihren Karriereweg beschreiten können.


Ich möchte mich auch in die Richtung weiterentwickeln und mich pädagogisch sowie didaktisch weiterbilden. Wenn Geld keine Rolle spielen würde, würde ich mehr Geld in den Bildungssektor allgemein investieren. Da steckt so viel Potential drin. Es heißt immer, Deutschland sei ein Land der Dichter und Denker, aber das kommt nicht von allein.

Wie man den Nachwuchs für Raumfahrt begeistert

Inwiefern engagiert sich das IAT und auch Sie persönlich bei Nachwuchsprojekten und Kooperationen wie CanSat Germany oder GymProLuR?

Nachwuchsförderung ist für uns ein sehr wichtiges Thema, denn gerade der Bereich Mathe/Physik, der auch Kernanforderung ist, wenn man in den Bereich geht, wirkt auf viele SchülerInnen eher abschreckend - aber es ist ein total spannendes Thema, wenn man das richtig aufbereitet. Deshalb hat das Institut schon 2006 GymProLuR ins Leben gerufen und Bremer Kooperationsgymnasien gewinnen können, sich in vier Profilfächern im Oberstufenprofil "Luft- und Raumfahrt" mit der Materie zu befassen.


Unsere Aufgabe ist es an der Stelle, den Unterricht praktisch zu unterstützen. So entstehen spannende Themen und Projekte. Satelliten beispielsweise kann man fächerübergreifend in Mathe, Physik, Englisch und Wirtschaftslehre wunderbar betrachten und als Thema bearbeiten. Für solche Unterrichtseinheiten braucht man manchmal auch zusätzliches Equipment und Experten, die dann mit den entsprechenden Exkursionen unterstützen. Wir sind natürlich auch mit anderen Themen dabei. Wir arbeiten beispielsweise gerade ein neues Schülerlabor für Luftfahrt aus, in dem mit "Lego Mindstorms" im Bereich Robotik Flughafensysteme simuliert werden können.


Wir wirken auch gern beim CanSat-Wettbewerb mit, bei dem unsere Partnergymnasien immer sehr gute Teams stellen. Auch das EU-Projekt Fly High haben wir mitgestaltet. Dort haben wir zusammen mit Spaniern, Niederländern und Österreichern multilinguales Unterrichtsmaterial entworfen, welches den SchülerInnen den Zugang zu Mathematik und Physik erleichtern soll.


Ist dieser praktische Aspekt der Arbeit Teil der Erfolgsformel, Kinder und Jugendliche für Raumfahrt zu begeistern?

Ja, auf jeden Fall. Eine praktische Anwendung des theoretischen Wissens ist sehr wichtig. Außerdem wollen wir SchülerInnen zeigen, was möglich ist, aber auch was unsere Anforderungen sind und was wir als Hochschule erwarten. Es ist uns sehr wichtig, dass SchülerInnen schon früh herausfinden können, ob ein Studiengang für sie geeignet ist. Dann haben beide etwas gewonnen.

Welche Potenziale können sich durch ein Themenjahr wie das Raumfahrtjahr Bremen STERNSTUNDEN 2018 für ein Institut wie das IAT ergeben?

Einerseits ergibt sich die Möglichkeit zu zeigen, in welchem Bereich man hier forscht. So öffnen wir uns für interessierte Bremerinnen und Bremer, die einfach mal hinter die Kulissen unserer Arbeit schauen wollen. Andererseits ist es für uns die Möglichkeit, den Luft- und Raumfahrtstandort Bremen zu pushen und zu zeigen, was wir alles so können.


Vielen BürgerInnen ist nicht bewusst, was diese Stadt für eine Bedeutung in dem Bereich Luft- und Raumfahrt hat. Außerdem können wir in diesem Rahmen auch noch einmal Anknüpfungspunkte mit den anderen Firmen finden, da man viele Projekte zusammen realisiert. Man sieht viele bekannte Gesichter, aber es sind auch viele Partner dabei, die man noch nicht persönlich kennt.

Welche Programmangebote steuerte das IAT im Raumfahrtjahr Bremen bei?

Wir boten all unsere Projekte in einem IAT Open House an. Das war die gebündelte Lösung - anstatt uns auf einzelnen Schauplätzen immer mal wieder zu zeigen, haben wir uns auf einen Tag geeinigt, an dem wir von morgens bis abends präsentieren, was wir machen: und das ganz anschaulich mit Quadrocopter-Rennen, zündenden Hybridtriebwerken und Dingen, die man wirklich sonst nicht so sieht. Wir führten unsere Gaslagertische vor, die Besucher konnten mit dem Flugsimulator fliegen oder mit der Virtual-Reality-Brille einen Eindruck von Schwerelosigkeit bekommen. Da war also wirklich alles mit dabei.


Umrahmt war das Ganze von einem Grillfest und einem gemeinsamen Zusammensein. Im Endeffekt ist unser Ziel, Nachwuchs für den Bereich zu begeistern. SchülerInnen und Studierende sollen einen Eindruck gewinnen, in welche Richtung die Reise gehen kann. Deshalb haben wir zum Beispiel auch unseren Career-Service-Bereich eingebunden, bei dem man zum Beispiel das schnellste Bewerbungstraining der Welt machen kann.


Vom 30.8. bis 1.9. 2018 haben wir auch im Bürgerpark bei der Veranstaltung "Explore Science" der Klaus Tschira Stiftung mitgewirkt. Darüber hinaus gab es über die Wirtschaftsförderung Bremen und weiteren Partnern des Raumfahrtjahres viele Aktionen in Radiosendern oder online, für die sie Experten aus dem Bereich Luft- und Raumfahrt brauchten, und da standen natürlich unsere Professoren gerne für die Beantwortung von Fragen zur Verfügung.

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