Wissenschaft persönlich: Prof. Dr. habil. Veronika Eyring

Prof. Dr. habil Veronika Eyring Wissenschaft persönlich
Prof. Dr. habil. Veronika Eyring ist Professorin für Klimamodellierung an der Universität Bremen und Abteilungsleiterin am Institut für Physik der Atmosphäre am DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.) in Oberpfaffenhofen.

© WFB/Jonas Ginter

Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.

Im Dezember 2022 steht uns Prof. Veronika Eyring Rede und Antwort. Die Professorin der Universität Bremen forscht zu Klimamodellierung und Modellbewertung mit Erdbeobachtungsdaten einschließlich der Entwicklung und Anwendung von Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) für belastbare Klimavorhersagen und Technologiefolgenabschätzungen.
Als Vertreterin der Klimaforschungsgemeinschaft hat sie bei der diesjährigen Weltklimakonferenz COP27 in Sharm-El-Sheik (Ägypten) in der Eröffnungszeremonie des COP27 World Leaders Summit eine Rede gehalten und einen eindeutigen Appell ausgesprochen. Zudem war sie am 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC (engl. Intergovernmental Panel on Climate Change) beteiligt. Mehr dazu verrät uns Frau Prof. Dr. habil. Eyring hier im Interview:

  • Wann finden Sie Ihren Job klasse? Welche Momente sorgen für Begeisterung?

Mich fasziniert an der Klimamodellierung, dass wir das komplexe System Erde mit all seinen physikalischen und biogeochemischen Prozessen, Wechselwirkungen und Rückkopplungen so akkurat am Computer nachbilden können. Und dass wir mit diesen Modellen, die auf physikalischen Naturgesetzen beruhen, die Zusammenhänge des Erdsystems besser verstehen. Wir führen gerade ein gewagtes Experiment mit unserem Planeten durch. Mit der virtuellen Welt des Klimamodells können wir aufzeigen, wie eine Zukunft mit und ohne Klimaschutz aussieht.

  • Stellen Sie sich vor, Sie hätten auf dem Freimarkt einen Stand und müssten nun den Besucher:innen erklären, an was Sie gerade arbeiten – wie sähe Ihr Stand aus?

Ich hätte einen Erdglobus unter dem ein großes Feuer brennt. Und dann würde ich den Besuchern eine Animation der Klimaerwärmung für fünf verschiedene CO2 Szenarien zeigen, mit viel und mit wenig Klimaschutz. Nur im Szenario mit den niedrigsten CO2 Emissionen bleibt die vorhergesagte globale Erwärmung nahe 1,5 °C am Ende des Jahrhunderts, während sie in allen anderen Szenarien viel höher ist. Um das 1,5°C Ziel zu erreichen, müssen wir die CO2-Emissionen bis 2030 um etwa 45 % senken, das ist bereits in 8 Jahren! Und sie müssen weiter sinken, um bis 2050 Netto-Null zu erreichen, gefolgt von negativen CO2-Emissionen für den Rest des Jahrhunderts.
Diese Klimaprognosen setzen ein klares Signal für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Jeder kleine Anstieg der Erwärmung führt zu weiteren Auswirkungen des Klimawandels. Es geht nun darum, die Treibhausgas-Emissionen sofort, schnell und drastisch zu reduzieren. Ansonsten wird die Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius unerreichbar sein, mit gravierenden Klimaauswirkungen in allen Regionen der Erde.

  • Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Ihre Arbeit und worin besteht der Nutzen?

Unsere Arbeiten tragen maßgeblich zur Verbesserung von Klimamodellen und deren Bewertung mit Erdbeobachtungsdaten und liefern damit wichtige Forschungsergebnisse für die internationale Klimapolitik. Als koordinierende Leitautorin von Kapitel 3 „Der menschliche Einfluss auf das Klimasystem“ habe ich zum 6. IPCC Klimasachstandsbericht der Arbeitsgruppe I beigetragen und war als Autorin an der Erstellung der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger beteiligt. Seit mehr als 30 Jahren veröffentlicht der IPCC als Einrichtung der UN seine Sachstandsberichte zum Zustand des globalen Klimas. Die Fakten aus den anerkannten Veröffentlichungen bieten eine Basis für wissenschaftsfundierte Handlungsalternativen politischer Entscheidungsträger. Unser Kapitel zeigt klar, dass der Mensch hauptverantwortlich ist für die globale Erwärmung und den beobachteten Klimawandel. Der menschliche Einfluss ist auch der wesentliche Treiber für die Zunahme von Wetter- und Klimaextremen. Die Häufigkeit und die Intensität etwa von Starkregen-Ereignissen oder Hitzewellen steigen durch den Klimawandel an. Viele der jüngsten Extreme wären ohne den vom Menschen verursachten Klimawandel höchst unwahrscheinlich gewesen.

  • Wann sprechen Sie bei Ihrer Arbeit von Fortschritt? Oder anders gefragt: Womit retten Sie die Welt?

Unsere Forschung ist gesellschaftlich hoch relevant, da sie die Basis für wissenschaftsfundierte Handlungsalternativen politischer Entscheidungsträger bietet. Es ist deshalb wichtig, die Ergebnisse zu kommunizieren. So habe ich mich daran beteiligt die wesentlichen Ergebnisse des 6. IPCC Klimasachstandsberichts in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. In diesem Jahr war ich als Vertreterin der Klimaforschungsgemeinschaft bei der diesjährigen Weltklimakonferenz COP27 in Sharm-El-Sheik (Ägypten) eingeladen in der Eröffnungszeremonie des COP27 World Leaders Summit eine Rede zu halten. Dort habe ich einen eindeutigen Apell zum Handeln ausgesprochen: Der jüngste Klimawandel ist beispiellos. Wir alle wissen und spüren das. Die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre erreicht jedes Jahr neue Rekordwerte. Infolgedessen lag die globale Erwärmung bereits im Jahr 2020 bei 1,1 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Die wissenschaftlichen Beweise sind eindeutig. Aber wir sind nicht auf Kurs! Jede weitere Verzögerung bei der Ergreifung kollektiver globaler Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Abschwächung seiner Folgen wird dazu führen, dass wir das kurze und sich schnell schließende Zeitfenster verpassen, um eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle zu sichern (siehe https://youtu.be/BnsBzdMZ96g?t=5470).

  • Verraten Sie uns Ihr liebstes Arbeitsinstrument oder Ihre wichtigste Forschungsmethode?

Klimamodelle und die Entwicklung und Anwendung von Maschinellen Lernverfahren für ein verbessertes Verständnis und Vorhersage des Klimasystems. Künstliche Intelligenz (KI) liefert schon heute wichtige Beiträge das Klima besser zu verstehen und vorherzusagen, es gibt aber noch viel Potential nach oben. Dafür braucht es eine neue Generation von Wissenschaftler*innen, die KI und Klimaforschung zusammenbringen - ich kann es kaum erwarten, ihren Beitrag zu sehen!

  • Wann und warum führte Sie Ihr Weg nach Bremen? Und woher kamen Sie?

Ich bin 1995 an die Universität Bremen gekommen. Schon damals warnten internationale Klimaforscher*innen vor dem vom Menschen verursachten Klimawandel. Das hat meine Aufmerksamkeit geweckt. Ich konnte mit der am Institut für Umweltphysik der Universität Bremen im Jahr 1995 angebotenen Promotionsstelle meine Faszination für die theoretische Physik mit der Klimaforschung kombinieren.

  • Was schätzen Sie am Land Bremen als Wissenschaftsstandort? Was hält Sie hier?

Eine persönliche Universität mit exzellenter Forschung und netten Kolleg*innen, an der ich mich sehr wohl fühle. Ich hoffe, dass sich die Universität Bremen als Klima-Universität international etabliert und möchte hierzu meinen Beitrag leisten. Für mich beinhaltet das auch eine zügige Entwicklung hinzu einer klimaneutralen, internationalen Exzellenz-Universität mit herausragender Forschung, die gut integriert ist in eine nachhaltige, lebenswerte und inspirierende Stadt Bremen, die sich vom Einsatz von fossilen Brennstoffen abwendet und kohlenstofffreie Technologien entwickelt und einsetzt.

  • Fehlt Ihnen etwas?

Um eine Klimakatastrophe zu vermeiden, brauchen wir groß angelegte Transformationen unserer Industrie-, Energie- und Verkehrssysteme und unserer gesamten Lebensweise. Eine Verlagerung zu naturbasierten Lösungen, die zur Wiederherstellung von Ökosystemen und zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen. Nur so können wir eine nachhaltige und klimaresistente Welt schaffen. Ich hoffe, dass Bremen wie auch andere Städte und Regionen in Deutschland und der Welt ihren Beitrag dazu liefern, und das schnell.

  • Die Wege in Bremen und Bremerhaven sind bekanntlich kurz. Wie bewegen Sie sich durch die Stadt?

Wenn möglich mit dem Fahrrad oder zu Fuß, ansonsten bin ich ein häufiger Gast der Tram 6.

  • Haben Sie eine persönliche Erfolgsformel?

Freude an der Forschungsarbeit ist wohl das beste Erfolgsrezept und die habe ich zum Glück noch wie am ersten Tag. Ansonsten gehört für mich zum Erfolg die Arbeit im Team und in Kooperation mit anderen Partnern. Deshalb ist mir der Austausch und die Zusammenarbeit mit meiner Gruppe sowie mit nationalen und internationalen Kolleg:innen sehr wichtig.

  • Wobei oder wodurch wird Ihr Kopf wieder frei?

Wenn ich Stress abbauen muss gehe ich gerne joggen, entweder an der Isar oder im Bürgerpark oder an der Lesum in Vegesack. Ansonsten zieht es mich in München in die Berge und in Bremen ans Meer.

Portrait Prof. Dr. habil Veronika Eyring

© WFB/Jonas Ginter

Fachbereich / Forschungsfeld

Fachbereich 1, Forschungsfeld Klimamodellierung

Aktuelle Position / Funktion

Abteilungsleiterin am Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) Institut für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen und Professorin für Klimamodellierung an der Universität Bremen

Aktuelle Tätigkeit / aktuelles Forschungsprojekt

Forschung zu Klimamodellierung und Modellbewertung mit Erdbeobachtungsdaten einschließlich der Entwicklung und Anwendung von Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) für belastbare Klimavorhersagen und Technologiefolgenabschätzungen

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