Wissenschaft persönlich: Mirja Uschkureit

Lächelnde Frau mit Brille vor einer bunten Tür
Mirja Uschkureit von der HERE AHEAD - Academy for Higher Education Access Development ist im Bereich Marketing und Öffentlichkeitsarbeit tätig und Programmkoordinatorin für :prime, ein Vorbereitungsstudium für internationale Studieninteressierte.

© WFB/Jonas Ginter

Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.

Im Mai stand uns Mirja Uschkureit, von der HERE AHEAD - Academy for Higher Education Access Developement, Rede und Antwort. HERE AHEAD ist eine einzigartige Kooperation aller staatlichen Hochschulen des Landes Bremen. Sie entwickelt und realisiert Programme zur Vorbereitung internationaler Studienbewerber:innen. Mirja Uschkureit ist Programmkoordinatorin für :prime, ein Vorbereitungsstudium für Interessierte mit Berechtigung zum Studienkolleg. Im Interview verrät sie uns, was sie an ihrer Arbeit besonders begeistert und mit welchen Bremer Persönlichkeiten sie gerne mal für einen Tag ihr Leben tauschen würde:

  • Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftskommunikatorin geworden wären?

Wahrscheinlich wäre ich im klassischen Marketing geblieben. Kommunikation hätte aber immer einen großen Teil meiner Arbeit ausgemacht – egal in welcher Form.

  • Wann finden Sie Ihren Job klasse? Welche Momente sorgen für Begeisterung?

Jeden Herbst veranstalten wir eine offizielle Abschlussfeier für die Absolvent:innen des Vorbereitungsstudium. Damit verabschieden wir sie ins reguläre Studium. Das Leuchten in den Augen unserer Absolvent:innen, weil sie so stolz auf sich sind, dass sie die hohen Anforderungen des Spracherwerbs und die Zugangsprüfung geschafft haben, ist immer schön anzusehen. Zusammen mit ihnen und den Vertreter:innen der Wissenschaftsbehörde und der Rektorate der Hochschulen freuen wir uns jedes Mal, dass sie nun endlich mit dem Studium beginnen können. Spätestens an diesen Abenden weiß ich, dass ich den richtigen Job hab! Zu wissen, dass ich einen kleinen Teil dazu beigetragen haben, dass diese jungen und hoch motivierten Menschen jetzt dastehen, wo sie hinwollten, ist ein sehr schönes Gefühl.

  • Stellen Sie sich vor, Sie hätten auf dem Freimarkt einen Stand und müssten nun den Besucher:innen erklären, an was Sie gerade arbeiten – wie sähe Ihr Stand aus?

Mein Stand wäre ein Raum, in dem die Besucher:innen erleben könnten, wie es sich für internationale Studierende anfühlt, sich mit geringen Deutschkenntnissen zurechtzufinden. Es ist schon eine besondere Erfahrung, sich in einer neuen Kultur orientieren zu müssen, die Regeln auszuloten und herauszufinden, wo im Alltag die Hürden und kleinen Stolperfallen lauern. Ein bisschen, als würden alle das gleiche Spiel spielen, aber jede Person hat andere Regeln im Kopf. Dadurch können die Besucher:innen auch erfahren, wie wichtig es ist, dem Gegenüber unvoreingenommen zu begegnen und zu versuchen, die eigene Perspektive zu verändern, um sich gegenseitig besser zu verstehen.

  • Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Ihre Arbeit und worin besteht der Nutzen?

Studieninteressierte, deren Heimatabitur nicht für ein Studium in Deutschland anerkannt ist, hatten bis 2019 im Land Bremen keine Möglichkeit eine Hochschulzugangsberechtigung zu erwerben, um dann ein Studium zu beginnen. Sie sind an die Studienkollegs nach Hannover, Hamburg oder NRW etc. gegangen. Nur selten kehrten sie dann zum Bachelorstudium nach Bremen zurück. Durch die Gründung der Academy HERE AHEAD in 2016 können diese Student:innen jetzt hier in Bremen die Zugangsprüfung ablegen und danach direkt mit einem Studium an einer unserer Hochschulen beginnen. Meine Arbeit sorgt dafür, dass Studieninteressierte in aller Welt erfahren, dass es diese Möglichkeit gibt und ich nehme sie bis zu einem bestimmten Punkt ein bisschen an die Hand, damit die Bewerbung und der Verlauf des Programms gut klappt. Und irgendwann schubse ich sie – wie eine Mama – in die Selbstständigkeit, denn dann können sie alles, was sie für ein Studium benötigen, sie müssen es nur anwenden.

  • Wann sprechen Sie bei Ihrer Arbeit von Fortschritt? Oder anders gefragt: Womit retten Sie die Welt?

Ich glaube, ich helfe eher anderen die Welt zu retten – was auch ein wichtiges Zutun ist. Viele internationale Studieninteressierte wählen naturwissenschaftliche oder ingenieurwissenschaftliche Fächer. Spannenderweise interessieren sich viele junge Frauen für diese sogenannten MINT-Fächer – anders als hier in Deutschland. Da frage ich mich manchmal, was die Schulen in anderen Ländern anders machen…
Diese jungen Menschen befassen sich mit den neuesten Forschungsansätzen, die unsere Welt besser machen können. Sie auf diesem Weg ins Studium ein Stück begleitet zu haben, ist mein beruflicher Beitrag zur Rettung der Welt.

  • Verraten Sie uns Ihr liebstes Arbeitsinstrument oder Ihre wichtigste Forschungsmethode?

Mein wichtigstes Instrument ist ganz klar das persönliche Gespräch. 20 Mails schaffen oft nicht das, was ein 15-minütiges Gespräch schafft. Das ist bei den Studierenden so und auch beim kollegialen Austausch oder auf Konferenzen, in Workshops und Fortbildungen. In den Jahren 2020 bis 2022 hat mir dies besonders gefehlt.

  • Wann und warum führte Sie Ihr Weg nach Bremen? Und woher kamen Sie?

Geboren bin ich in Hamburg, aufgewachsen in der Lüneburger Heide. 2003 zog ich der Liebe wegen nach Bremen. Ich kam aus Göttingen, wo ich studiert und inzwischen in einer Marketingagentur gearbeitet habe und mein Partner aus Diepholz. Da suchten wir einen Ort, der für uns beide pendelbar war und das war Bremen. Nach einigen Jahren in vollen Zügen habe ich dann hier in Bremen auch beruflich Fuß gefasst, worüber ich sehr froh war. Denn Bremen ist eine Stadt in der man wirklich gut leben und sein kann.

  • Was schätzen Sie am Land Bremen als Wissenschaftsstandort? Was hält Sie hier?

Ich schätze wirklich die viel beschworenen kurzen Wege in diesem Bundesland. Da wir das Vorbereitungsstudium für alle landesbremischen Hochschulen anbieten, ist es für uns sehr wichtig, schnell Dinge mit der Behörde oder den Hochschulleitungen absprechen zu können und Lösungen zu finden. Die Kolleg:innen in den Immatrikulationsämtern und International Offices aller Hochschulen leisten fantastische Arbeit und sind hochgradig flexibel. Das ist oft entscheidend, wenn sich beispielsweise Visaprozesse verzögern oder bestimmte Aufnahmekriterien im Heimatland nicht erfüllt werden können.

  • Fehlt Ihnen etwas?

Dass Bremen ein bisschen mehr mit den bestehenden Pfründen prahlt und sich etwas mehr in die Brust schmeißt. Bremen und Bremerhaven haben sowohl als Wissenschaftsstandort als auch als Studienstandort so viel zu bieten! Das sollten wir sichtbarer machen.

  • Die Wege in Bremen und Bremerhaven sind bekanntlich kurz. Wie bewegen Sie sich durch die Stadt?

Mit dem Fahrrad! Für mich ist das Rad das beste Bremer Verkehrsmittel! Ich wohne seit 2013 in Findorff und kann von dort aus alles mit dem Rad erreichen, was für mich wichtig ist – egal ob zum Einkaufen, zur Arbeit, zum Sport oder zu Freund:innen. Ich liebe auch einfach etwas längere Wege entlang der Weser oder durch Gebiete der Stadt, die ich vorher nicht kannte. Auf dem Rad lerne ich die Umgebung ganz anders kennen.

  • Wenn Sie die Wissenschaftsszene im Land Bremen mit einem Tier vergleichen sollten, welches würden Sie wählen und warum?

Die Wissenschaftsszene erinnert mich an ein Axolotl – sie kommt bescheiden daher, ist aber zu erstaunlichem fähig.

  • Was war die größte Herausforderung Ihrer wissenschaftlichen/beruflichen Laufbahn, die Sie zu meistern hatten?

Die größte emotionale Herausforderung war die Auswahl der afghanischen Stipendiat:innen für das Omid Farda-Stipendium (afghn. Hoffnung für morgen), das die Uni im Frühjahr 2022 ausgeschrieben hatte und das von uns administrativ betreut wurde. Mehr als 5.000 afghanische Studierende hatten sich auf zehn Stipendien beworben. Es war schwer, die Lebensläufe, die geschilderten Bedrohungslagen zu lesen und dann entscheiden zu müssen, wer weiterkommt und wer nicht. Auch wenn die festgesetzten Kriterien diese Entscheidung so neutral wie möglich machen, habe ich viele Schicksale noch immer im Kopf und frage mich, was aus diesen Menschen geworden ist.

  • Welche stehen Ihnen noch bevor?

Ich wünsche mir, dass noch ganz viele schöne und spannende Herausforderungen auf mich warten, denn sonst wäre das Arbeitsleben sehr langweilig.

  • Haben Sie eine persönliche Erfolgsformel?

Ein ehrliches Lächeln und ein freundliches und offenes Miteinander können Berge versetzen.

  • Aus welchem Scheitern haben Sie am meisten gelernt?

In meinem ersten Job als Marketingassistentin hatte ich die Aufgabe, für eine Befragung Rückumschläge im firmen-eigenen CI mit aufgedruckter Adresse zu bestellen. Leider hatte ich nicht genau aufgepasst und 200.000 Umschläge kamen mit einer falschen Postleitzahl aus der Druckerei. Seitdem lese ich alles besonders gründlich und dieses Erlebnis war wahrscheinlich der Anstoß für meine folgenden 10 Arbeitsjahre als Lektorin.

  • Wobei oder wodurch wird Ihr Kopf wieder frei?

Wenn ich an einem schönen Platz sitzen und aufs Meer blicken kann. Am liebsten ist mir dabei der irische Atlantik oder die deutsche Nordsee. Wenn ich das Meer rieche wird mein Kopf schon freier und nach spätestens 2 Stunden sind meine Akkus wieder aufgeladen.

  • Die nächsten Nachwuchswissenschaftler:innen ziehen nach Bremerhaven. Was würden Sie ihnen raten, wo man wohnen und abends weggehen soll?

Mein Herz schlägt für Findorff, denn hier gibt es alles, was man braucht: Neben den normalen Supermärkten, einen großartigen Buchladen, einen tollen Käseladen, einen Weinladen mit perfekter Beratung, Klamottenläden für Groß und Klein und das passende Kabel zum Fernseher gibt es hier auch. Zudem ein paar guten Restaurants und einfach die beste Eisdiele Bremens! Und wenn ich doch mal das Dorf verlassen will, ist es in alle Richtungen nicht sehr weit.

  • Mit wem würden Sie diese Wissenschaftler:innen hier in Bremen oder Bremerhaven bekannt machen wollen?

Ich würde die Wissenschaftler:in zu einem großen Sommerbrunch mit meinen Freund:innen und Bekannten in meinen Garten einladen. Das sind viele offene Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen, die alle einen anderen Blickwinkel auf die Welt und Bremen haben und dafür sorgen, dass die eigene Perspektive stets hinterfragt werden kann.

  • Wenn Sie einen Tag lang Ihr Leben mit einer Bremerhavener Persönlichkeit tauschen könnten, wessen Leben würden Sie wählen?

Oh, da würde ich gern mit einigen tauschen wollen! Zum Beispiel mit einem Hafenarbeiter zur Blütezeit der Bremer Häfen oder mit einer Wallerin in den 60er Jahren. Gern auch mit Gesche Gottfried, um herauszufinden, was hinter den Giftmorden steckt. Wenn das Zeitreisen in nächster Zeit doch nicht erfunden wird, würde ich gern einmal mit der stellvertretenden Direktorin der Bremer Kunsthalle Dr. Dorothee Hansen tauschen, um mit ihrem Wissen die Kunsthalle ganz neu kennenzulernen.

Lächelnde Frau mit Brille vor einem bunten Hintergrund

© WFB/Jonas Ginter

Geburtsjahr

1971

Fachbereich / Forschungsfeld

HERE AHEAD – Academy for Higher Education Access Development

Aktuelle Position/ Funktion

Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Programmkoordination :prime

Aktuelle Tätigkeit

Vorbereitungsstudium :prime für internationale Studieninteressierte

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