Wissenschaft persönlich: Prof. Dr. Svenja Tams

Frau steht im Flur der Hochschule, im Hintergrund sind Studierende
Prof. Dr. Svenja Tams ist in den Fachbereichen Wirtschaftswissenschaften und Organisationswissenschaften tätig und Professorin für Projektmanagement und Organisation an der Hochschule Bremen. Im Kontext des gesellschaftlichen Wandels beschäftigt sie sich aktuell mit den Forschungsfeldern Leadership, Change Work, Berufswege und der Leadership-Entwicklung.

© WFB/Jan Rathke

Bremens Wissenschaft ist exzellent! Und daran haben natürlich die vielen schlauen Köpfe, die sich in den Laboren und den Hörsälen tummeln, erheblichen Anteil. Wer steckt hinter dem Erfolg der Bremer Wissenschaft? In unserer Porträt-Reihe Wissenschaft persönlich stellen sich Wissenschaftler:innen und Wissenschaftskommunikator:innen regelmäßig unseren Fragen und verraten, was sie an ihrer Arbeit lieben und warum der Standort Bremen für sie genau der richtige ist.

Im Februar 2024 stand uns Prof. Dr. Svenja Tams, Professorin für Organisation und Projektmanagement an der Hochschule Bremen, Rede und Antwort. Ihre Arbeit trägt zu einem der neueren Felder der Organisationsforschung bei, welches innovative Methoden und Ansätze für zukunftsorientierte Führung, professionelle Identität und Change Management sowie Erwachsenenbildung erkundet. Wann Prof. Dr. Svenja Tams nach Bremen kam, welche beruflichen Stationen sie vorher schon weltweit durchlaufen hat und warum sie gerne mal eine Zeitreise in die Vergangenheit unternehmen würde, erfahrt ihr in diesem Interview:

  • Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Wissenschaftlerin geworden wären?

Eine Tätigkeit mit gesellschaftsgestaltendem Bezug, egal ob Non-Profit, Policy-Making, Innovation Lab oder Purpose-orientiertem Unternehmen.

  • Wann finden Sie Ihren Job klasse? Welche Momente sorgen für Begeisterung?

Momente, wenn meine Studierenden mich mit ihrer Begeisterung für sozial-innovative Problemlösungsansätze anstecken. Zum Beispiel, wenn mir ein Student erklärt, dass Wirtschaftsunternehmen den Fachkräftemangel dadurch angehen könnten, indem sie systematisch mit lokalen Initiativen für Mitbürgern und Mitbürgerinnen mit Migrationshintergrund kooperieren.

  • Stellen Sie sich vor, Sie hätten auf dem Freimarkt einen Stand und müssten nun den Besucher:innen erklären, an was Sie gerade arbeiten – wie sähe Ihr Stand aus?

Eine große Karte, auf der wir die Zukunftsfragen, an denen Studierende arbeiten, abbilden. Im Augenblick erarbeiten wir Themen, wie Nachhaltigkeit, Fachkräftemangel, die Zukünfte der Städte, sowie das fehlende Gefühl der Zugehörigkeit in Organisationen. Obwohl jedes Teams immer nur einen einzelnen Lösungsansatz entwickelt, bildet die Karte die Vielfalt der Lösungsansätze ab. Somit ermöglicht die Karte allen Beteiligten die Identifikation mit diesen Zukunftsfeldern und auch eine systematische Erkundung von Trends, unbewussten, kulturell-geprägte Annahmen und Spannungsfeldern.

  • Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Ihre Arbeit und worin besteht der Nutzen?

Meine Arbeit trägt zu einem der neueren Felder der Organisationsforschung bei, das innovative Methoden und Ansätze für zukunftsorientierte Führung, professionelle Identität, Change Management und Erwachsenenbildung erkundet. Es geht darum, Menschen in Organisationen zu befähigen, verantwortungsvoll mit komplexen Krisen und Herausforderungen, wie Klimawandel, Dekarbonisierung und demografischer Wandel, umzugehen.

  • Wann sprechen Sie bei Ihrer Arbeit von Fortschritt? Oder anders gefragt: Womit retten Sie die Welt?

Ich sehe Fortschritt in den vielen neuen Netzwerken, Communities, Hochschulinitiativen und Plattform-Organisationen, die Menschen und Unternehmen zu einem zukunftsorientierten und lebensdienlichen Umgang mit den jetzigen Krisen und Herausforderungen befähigen.

  • Verraten Sie uns Ihr liebstes Arbeitsinstrument oder Ihre wichtigste Forschungsmethode?

Ein digitales Aufnahmegerät für qualitative Interviews.

  • Wann und warum führte Sie Ihr Weg nach Bremen? Und woher kamen Sie?

Ich kam im Herbst 2022 durch meine Berufung als Professorin nach Bremen. Ich bin im Raum Darmstadt aufgewachsen. Es hat mich aber schon sehr früh in die weite Welt gezogen. Zunächst ging ich mit einen Fulbright-Stipendium in die USA. Dann Brüssel, wo ich in internationalen Großunternehmen tätig war. In der Zeit habe ich u.a. Management-Weiterbildung zu Innovationsthemen entwickelt. Dadurch wurde mein Wunsch geweckt, Management-Professorin zu werden. Zum weiteren Studium ging es nach London. Nach meiner Promotion an der London Business School und Beratertätigkeit bin ich an die University of Bath gegangen. Dort gab es seit den 90ern Pioniere für nachhaltigkeitsorientierte Managementlehre und -forschung, in deren Umfeld ich arbeiten wollte. Mit dem Brexit bin ich 2018 nach Deutschland zurückgekehrt. Bevor ich an die Hochschule Bremen kam, war ich Professorin für Management, Organisation und Leadership an der SRH Berlin University of Applied Sciences.

  • Was schätzen Sie am Land Bremen als Wissenschaftsstandort? Was hält Sie hier?

Als Organisationswissenschaftlerin interessiert mich, wie die verschiedenen Unternehmen der Region im Spannungsfeld zwischen Tradition und Transformation agieren – egal ob Hafen- und Logistikwirtschaft, Banken, Start-up-Szene, Stahlwerk, engagierter Kultursektor oder innovative Consulting Boutiquen.

  • Fehlt Ihnen etwas?

Zeitgemäße Führungskräfteentwicklung erhält noch zu wenig Aufmerksamkeit. Es wird zwar viel über Nachwuchsgewinnung gesprochen, aber zu wenig über den Beitrag von Nachwuchskräften zu strategischen Themen wie demografischer Wandel, Digitalisierung, Klimawandel und nachhaltiges Wirtschaften. Da Babyboomers demnächst ins Rentenalter eintreten, brauchen wir hier mehr vernetztes Denken. Wir müssen Nachwuchskräfte systematischer zu ‚Leadership for Change‘ befähigen, damit sie komplexe, strategische Problemstellungen mit anderen Menschen, auch über die Grenzen des einzelnen Unternehmens hinweg, angehen.

  • Die Wege in Bremen und Bremerhaven sind bekanntlich kurz. Wie bewegen Sie sich durch die Stadt?

Zu Fuß. Rad. Öffentliche.

  • Was war die größte Herausforderung Ihrer wissenschaftlichen/beruflichen Laufbahn, die Sie zu meistern hatten?

Meine persönliche Berufsbiografie als ‚Grenzgängerin‘ über nationale und disziplinäre Grenzen hinweg, zwischen Forschung und innovations-orientierter Praxis zu entwickeln. Ich habe früh gespürt, dass die Karriere-Skripte tradierter Laufbahnen nichts für mich sind und ich meinen eigenen Weg erkunden möchte.

  • Welche stehen Ihnen noch bevor?

Weiterhin zu zeigen, dass transdisziplinäre Grenzgänge notwendig sind, um den komplexen Problemstellungen unsere Zeit kreativ zu begegnen.

  • Haben Sie eine persönliche Erfolgsformel?

Projekte, insbesondere zu Organisationsthemen, Führung und Berufen, an der Schnittstelle zu gesellschaftlichem Wandel positionieren. Erfolg erfordert auch, anderen Beteiligten viel Freiraum zur co-kreativen Mitgestaltung eines Gesamtprojektes zu geben.

  • Aus welchem Scheitern haben Sie am meisten gelernt?

Das Vertrauen in meine Urteilsvermögen und Intuition hat sich gestärkt durch die Bewältigung von schwierigen Projekten, auf die ich mich aufgrund vermeintlicher Erwartungen anderer aber entgegen meiner inneren Stimme, einließ.

  • Wobei oder wodurch wird Ihr Kopf wieder frei?

Lange Spaziergänge. Radtouren. Yoga.

  • Die nächsten Nachwuchswissenschaftler:innen ziehen nach Bremen. Was würden Sie ihnen raten, wo man wohnen und abends weggehen soll?

Sich Zeit zu geben, um herauszufinden, in welche Ecke passe ich gut? Mir persönlich gefällt an Bremen, dass ich in einem ruhigen, grünen Umfeld wohnen kann, aber trotzdem nicht lange brauche, um in einem lebendigen, urbanen Stadtteil, wie dem Viertel, auszugehen. Im Sommer schätze ich allerdings die Orte im Bürgerpark oder an der Weser.

  • Mit wem würden Sie diese Wissenschaftler:innen hier in Bremen oder Bremerhaven bekannt machen wollen?

Über Gespräche mit engagierten Kolleginnen und Kollegen, Wirtschaftsförderung und soziale Plattformen ist es leicht, in Bremen verschiedene Netzwerke und Veranstaltungen zu identifizieren. Einfach hingehen, präsent sein, mit Menschen ins Gespräch kommen und offen sein für das, was entstehen kann.

  • Wenn Sie einen Tag lang Ihr Leben mit einer Bremer oder Bremerhavener Persönlichkeit tauschen könnten, wessen Leben würden Sie wählen?

Nicht die eine Persönlichkeit. Da mehrere Generationen meiner Vorfahren über Bremerhaven in die USA und Australien ausgewandert sind, würde ich gerne auf Zeitreise gehen und mich in Pensionen, Wartehallen und Schiffen unter die Auswanderer vor 100 oder 150 Jahren mischen. Vielleicht können wir von Menschen, die sich unter damaligen Bedingungen auf eine Reise in eine ungewisse Zukunft begeben haben, etwas für unseren proaktiven Umgang mit der jetzigen Zeit lernen?

Frau mit Brille sitzt an einem Tisch

© WFB/Jan Rathke

Fachbereich / Forschungsfeld

Wirtschaftswissenschaften/ Organisationswissenschaften

Aktuelle Position / Funktion

Professorin für Organisation und Projektmanagement

Aktuelle Tätigkeit / aktuelles Forschungsprojekt

Leadership, Change Work, Berufswege und Leadership-Entwicklung im Kontext gesellschaftlichen Wandels

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