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Women in Aerospace - ein Netzwerk, das Frauen in der Raumfahrt fördert

Die beiden Koordinatorinnen der WIA-Bremen posieren mit einem Jungen vor einem STERNSTUNDEN2018 Roll Up.
Raumfahrt ist nicht nur Männersache. Das weltweit agierende Netzwerk "Women in Aerospace" fördert ganz bewusst Frauen - auch in Bremen.

© WFB

Das weltweit agierende Netzwerk Women in Aerospace (WIA) möchte die Chancen von Frauen auf Führungspositionen und ihre Sichtbarkeit in der Luft- und Raumfahrtbranche erhöhen.

Women in Aerospace Europe (WIA-E) wurde 2009 von Claudia Kessler und Simonetta di Pippo gegründet. Die erste lokale Gruppe entstand 2013: Women in Aerospace Bremen (WIA Bremen). Wir trafen uns mit den beiden Ingenieurinnen Antonella Sgambati und Michela Cantisani, die in Bremen bei OHB SE arbeiten, und zugleich Koordinatorinnen von WIA Bremen sind.

Mit einem Strahlen in den Augen und einem erfrischenden Lächeln auf den Lippen sitzen uns die beiden Damen gegenüber, während Antonellas sieben-jähriger Sohn Tiziano Bilder zeichnet - natürlich Raumfahrtbilder, wie sollte es anders sein. Eines ist direkt hier zu sehen.

Eine mit Kuli gezeichnete Kinderzeichnung von einer Rakete, die vom Mond zur Erde fliegt.Rechts klebt ein runder Sticker eines Astronauten, der winkend und die Bremer Speckflagge in der Hand haltend auf dem Mond steht. Über ihm steht in schwarzer Schrift: Sternstunden 2018, unter ihm Raumfahrtjahr Bremen.
Auf einem weißen Hintergrund steht in blauer Schrift "WIA". Die Buchstaben werden von von 12 gelben Sternen umkreist. Ein orangener, wagerechter Streifen läuft über die Buchstaben und wird zu einem Stern.

Women in Aerospace Europe

© Women in Aerospace

Antonella und Michela, in drei Worten: Was ist Women in Aerospace?

Antonella: Netzwerken, Sichtbarkeit, Motivation.

Unser großer Traum ist es, in Europa eine Balance unter den Frauen in allen Positionen der Raumfahrtbranche zu schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird Netzwerken bei uns groß geschrieben: Als WIA-Mitglied hat man viele Möglichkeiten und Chancen mit Personen in Kontakt zu treten, die dieselben Interessen und ähnliche Sichtweisen haben, sich mit ihnen auszutauschen und dabei auch Inspirationen zu sammeln und Sichtbarkeit zu erlangen.

Wir bieten unseren Mitgliedern viele Vorteile. So fördern wir die individuelle persönliche Entwicklung beispielsweise durch Schulungen oder Anerkennungen durch Preisverleihungen.

Michela: Die gesamte Organisation erfolgt auf Freiwilligenbasis der Spezialisten. Das zeigt die große Motivation hinter WIA. Es ist kein Job, den man macht, weil man ihn machen muss. Man engagiert sich, weil man denkt, es existiere eine Lücke, die dringend gefüllt werden muss. Sowohl Frauen als auch Männer können bei uns Mitglied werden, jeder ist willkommen! Wir sind alle verschieden, Menschen und Persönlichkeiten mit unterschiedlicher täglicher Arbeitsbelastung. Aber wir verfolgen ein gemeinsames Ziel: Frauen können auch in der Raumfahrt wichtige Persönlichkeiten werden!

Eure Mitglieder sind Männer wie Frauen gleichermaßen?

Michela: Genau. Jeder kann Mitglied werden, ob man in der Raumfahrtbranche arbeitet oder einfach besonders begeistert von der Raumfahrt ist. Vorrangig ist, dass unser gemeinsames Ziel verfolgt wird: die Sichtbarkeit von Frauen in Führungspositionen in der Raumfahrtbranche zu erhöhen. Momentan besteht WIA Bremen aus 47 Mitgliedern, darunter auch Männer. Wir alle sind Botschafter und glauben daran, dass wir dank unserer Zusammenarbeit und eines großen Netzwerkes unserem Ziel näher kommen und auch den Frauen die Augen öffnen.

Antonella: Ich würde mich über mehr Feedback von unseren Mitgliedern nach den Events freuen. Wir wollen zusammen wachsen und uns stetig verbessern. Das geht nur mit konstruktiver Kritik. Mitglied bei uns zu sein ist wie eine Beziehung. Man baut sie Tag für Tag auf.

Ihr beide seid Ingenieurinnen. Erzählt uns mehr über eure Karrieren. Wie kamt ihr zur Raumfahrt?

Michela: Das ist eine lange Geschichte! Studiert habe ich in Rom, wo ich auch herkomme. Im Rahmen des Studiums ging es für mich dann mit dem Erasmus-Programm nach Toulouse. Dort kam ich in Kontakt mit CNES, der französischen Raumfahrtagentur Centre national d’études spatiales, wo ich auch ein Praktikum gemacht habe. Anschließend schloss ich mein Masterstudium ab und dann habe ich bei CNES gearbeitet. Als Raumfahrtingenieurin ging es für mich sogar nach Kourou, dem Weltraumbahnhof an der Atlantikküste von Französisch-Guayana, wo Satelliten gestartet werden. In Kourou arbeitete ich als "SAP loader facilities manager". Wir haben dort die Startkampagne für den Start des Satelliten vorbereitet. Und jetzt bin ich in Bremen als "subcontractor manager" für das Exomars-Projekt tätig.

Was hat dich denn dazu bewegt Raumfahrtingenieurin zu werden?

Michela: Der Zufall, würde ich sagen. Es war nie der "Traum meines Lebens". Ich gebe zu, ich war immer interessiert an wissenschaftlichen Fächern, schon in der Schule war ich darin besser als in Literatur beispielsweise. Aber früher oder später steht man vor der großen Frage: Und was jetzt? Ich habe mich immer für das "Dahinter" interessiert. In der Schule ging ich für ein Jahr als Austauschschülerin nach Australien. Wenn man 17 Jahre alt ist und auf die andere Seite der Erde fliegt, ist das eine große Sache und überwältigend. Es war dort zunächst schwer für mich, aber genau das gab mir Kraft. Ich wusste, da ist mehr! Und das war es dann. Ich entschied mich Raumfahrtingenieurwesen zu studieren und hatte den Gedanken: Du kannst etwas Besonderes machen, etwas Ungewöhnliches. Und nun sind wir hier.

Antonella: Ich komme ebenfalls aus Italien. Meinen Abschluss habe ich als Luftfahrtingenieurin mit Schwerpunkt Raumfahrt gemacht. Tatsächlich auch durch Zufall: Angefangen habe ich mit archäologischen und paläontologischen Studien. Etwas zu entdecken oder zu erforschen, war schon immer mein Ziel! Dann wurde ich auf Luft- und Schifffahrtstechnik aufmerksam und wollte mein Studium wechseln. Also rief ich meine Mutter an und berichtete von der Idee. Ihre Antwort werden schon viele Frauen gehört haben: „Nein! Als Frau wirst du später Probleme haben, Kinder und solch einen Beruf unter einen Hut zu bringen. Du wirst viel weg sein und Vollzeit arbeiten. Jetzt kannst du die Universitätskarriere einschlagen und Teilzeit arbeiten!“

Davon ließ ich mich aber nicht beirren. Nach meinem Studium wurde Raumfahrt mein Leben. Ich lebte in Turin, dann zehn Jahre in Mailand. Dort lernte ich meinen Mann kennen, Tiziano kam da zur Welt und wurde unser Motivator. Nach zehn Jahren an einem Ort rostet man schon ein. Durch Tiziano bekam ich einen neuen Blickwinkel auf die Welt. Wir suchten nach neuen Möglichkeiten und sind nun bei OHB. Hier arbeite ich unter anderem an der Alexander Gerst-Mission, an instrumentellem Design oder am 3D-Druck für das Moon Village. Und die Neugierde ist noch immer da.

Michela: Neugierde! Das ist es! Niemals aufgeben. Es ist hart, immer am Ball zu bleiben, doch sehr wichtig. Wie ein Kind, das gerade laufen lernt. Es fällt hin, weint, steht dann aber auf und versucht es erneut. Irgendwann mit Erfolg! Dasselbe gilt für alle Schritte im Leben. Alles ist möglich. Das Wort unmöglich existiert nicht.

Zwei Frauen sitzen an einem Tisch und sehen sich an. Hinter ihnen ein Roll-Up. Auf diesem sieht man einen Astronauten, der winkend und die Bremer Speckflagge in der Hand haltend auf dem Mond steht. Rechts unter ihm steht auf rotem Hintergrund in weißer Schift: Sternstunden 2018, Raumfahrtjahr Bremen

© WFB

Inwieweit steht WIA Bremen in Kontakt mit anderen Städten? Gibt es einen Austausch in Form von jährlichen Treffen, gemeinsamen Veranstaltungen oder Exkursionen und Reisen?

Antonella: Es finden jährliche Meetings der lokalen Gruppenkoordinatoren und -koordinatorinnen statt. Dieses Jahr ist das Treffen in Darmstadt, Michela wird teilnehmen und Bremen vertreten. Bei den Treffen sprechen wir mit den anderen über Events, Flyer, Ideen. Außerdem promoten wir Angebote, die nach dem Kongress stattfinden können. Wir planen eine Straßenbahntour mit einer "Partybahn", vielleicht mit Gewinnspielen. Vor zwei Jahren - wir waren gerade ein halbes Jahr Koordinatorinnen - fuhren wir nach Köln und trafen WIA Köln. Dort besuchten wir das Europäische Astronautenzentrum (EAC), trafen sogar einen Astronauten und besuchten :Envihab, eine medizinische Forschungsanlage, in der unter anderem der Effekt von Schwerelosigkeit auf das Herz simuliert wird.
In Bremen bekamen wir dann eine eigene Führung durch das Gewächshaus von EDEN:ISS, in dem jetzt Paul Zabel vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme Gemüse in der Antarktis anbaut. Als wir zu Besuch waren, durften wir schon mal das erste Gemüse probieren.

Michela: Mitglied bei WIA zu sein, öffnet viele Türen und bietet zahlreiche Möglichkeiten: Wir besuchen Orte, deren Türen für Touristen nicht einfach offen stehen, einen Astronauten zum Beispiel trifft man nicht jeden Tag!

Ein Ziel von WIA ist es, die Möglichkeiten von Frauen in Führungspositionen zu erweitern und ihre Sichtbarkeit in der Luft- und Raumfahrtbranche zu erhöhen, indem ein Netzwerk in Europa und weltweit geschaffen wird. Wo seht ihr denn noch Verbesserungspotenzial?

Antonella: In der Kultur. Das gleiche und gleichwertige Bewusstsein zwischen Mann und Frau muss von Anfang an vermittelt werden: Bereits im Kindergarten oder der Grundschule werden die Geschlechter häufig voneinander getrennt, das muss aufhören. Manchmal bewerben sich Frauen gar nicht erst auf eine Stelle, geben damit von Anfang an auf, weil ihnen die Motivation fehlt, Verantwortung zu übernehmen. Man muss das Bewusstsein schaffen, dass es Möglichkeiten gibt, Beruf und Leben miteinander zu vereinbaren, ob mit oder ohne Kind. Es ist nicht einfach, aber machbar. Frauen sind bereits Manager. Ihr Leben ist das Projekt, das Sie führen!

Michela: Außerdem muss innerhalb der Unternehmen mehr getan werden. Wenn dort vermittelt wird, dass Frauen dieselben Ziele oder Positionen wie Männer erreichen können, dann wird alles ein bisschen einfacher. Wie Antonella gesagt hat, es beginnt im Alltag. Aber auch in der Politik muss hinsichtlich des "Frauenthemas" mehr passieren und die Message vermittelt werden, dass es keine Grenzen, keine Barrieren gibt und geben soll. Das ist fundamental. Man wird keine "Raumfahrtfrau", indem man in der Raumfahrt arbeitet. Man wird es, wenn man noch ein Kind ist. Und deshalb muss schon dort mit der Gleichstellung von Mann und Frau begonnen werden. Man muss mit der Nachricht aufwachsen. Antonella zum Beispiel ist die einzige Frau in ihrem Team.

Antonella: Ja, und bereits im Studium waren wir bei 150 Studierenden nur zwei Frauen.

Wir haben das Interview auf Englisch geführt und ins Deutsche übersetzt. Das englischsprachige Interview finden Sie hier.

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