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Forarex – Neun junge Studierende greifen nach den Sternen

Eine Nahaufnahme der Foraminifere
Die Studierenden der Universität Bremen wollen mit Foraminiferen hoch hinaus! Dafür nehmen sie am Studentenprogram REXUS/BEXUS teil. Auf dem Weg ins Weltall stecken sie mit ihrer Begeisterung für die Wissenschaft an.

© Foralex

Mit ihrem Experiment FORAREX (FORAminifera Rocket EXperiment) nehmen die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler an dem 18 Monate langen deutsch-schwedischen Studentenprogramm REXUS/BEXUS (Raketen- und Ballon-Experimente für Universitäts-Studenten) teil. Genauer gesagt: bei Rexus 25/26. Im März 2019 geht es dann nach Nordschweden ins Esrange Space Center, wo ihr Experiment mit einer fast sechs Meter langen Rakete in eine Höhe von bis zu 90 Kilometer geschossen wird und so für circa zwei Minuten im All verbleiben wird.

Das Team hat sich zum Ziel gesetzt, herauszufinden, wie Foraminiferen auf Schwerelosigkeit reagieren: Wie bewegen sie sich? Wachsen sie? Wenn ja, dann schneller oder langsamer? Verformen Sie sich?

Junge Menschen grinsen in die Kamera.

© Foralex

Raumfahrt und Meeresbiologie: das Beste aus beiden Welten

Die Teamleiterin und Biologiestudentin Greta Sondej und ihr Kollege Nils Kunst, Student der Systems Engineering, erzählen mehr:

Nils Kunst: Wir schießen Foraminiferen mit einer Rakete ins All und schauen was mit diesen unter Schwerelosigkeit passiert. Wir erwarten, dass etwas passiert und führen Vergleichsexperimente durch, in denen wir mehrere Komponenten untersuchen. Mit einem Video wird die Foraminifere während der Versuche beobachtet.

Foraminiferen sind im Meer lebende Einzeller, die sich sehr schnell verändern können. Ihre Schale hat Löcher, die man für viele Dinge nutzen kann. Es wurde beispielsweise überlegt, die Löcher mit Medizin zu füllen, damit das Präparat nach und nach seine Wirkung zeigen kann. Wir wollen dazu beitragen, Knochenschwund der Astronauten schon im All behandeln zu können. Dafür begaben wir uns zu Beginn des Projektes mit Hilfe des Zentrums für Marine Umweltwissenschaften (Marum) auf die Suche nach einem geeigneten Versuchsobjekt und sind von Korallen und über kristalline Rotalgen auf Foraminiferen gekommen, da diese das Skelett auf der Außenseite haben. Wir nennen dies die "Fora-Vorteile"!


Greta Sondej: Die Schalen der Foraminiferen sind in ihrem Aufbau dem Knochenbau eines Menschen sehr ähnlich. Bei ersten Untersuchungen wurden diese pulverisiert und in Knochen eingesetzt. Dabei wurde herausgefunden, dass die Knochen besser zusammengewachsen sind. Wir konnten bei unserem "Astronautentraining für Foraminiferen" bereits testen, dass sie bei erhöhter Gravitation überleben. Im Projekt Rexus25/26 wollen wir untersuchen, ob sich die Zellstränge der Foraminiferen in den zwei Minuten der Schwerelosigkeit verändern. Dafür führen wir der Schale nach dem Flug Strontium ein und können anschließend mit einem Laser sichtbar machen, wie sich die Schale nach dem Flug verändert hat. Für Zellwachstum ist die Zeit unter Schwerelosigkeit bei diesem Projekt leider zu kurz. Deshalb ist unser nächstes Ziel, die Foraminiferen mit dem Studentenwettbewerb "Überflieger" auf die Internationale Raumstation (ISS) zu bringen. Wir wollen da untersuchen, wie sich das Zellwachstum in Schwerelosigkeit verhält. Unseren Aufbau können wir jetzt schon für den Wunschflug testen.

Greta Sondej: Ich war die Initiatorin. Mit unserem Informatiker Jan war ich Ende 2016 beim Runden Tisch der Luft- und Raumfahrt, der von der Studenteninitiative Bonding organisiert wird. Es waren Vertreter des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), der European Space Agency (ESA) und OHB System AG vor Ort und haben uns von den Vorteilen und Möglichkeiten der Arbeit bei ihnen und im Bereich der Raumfahrt im Allgemeinen erzählt. Januar 2017 habe ich dann einen Link zum Überflieger-Projekt zugeschickt bekommen und erfahren, dass explizit nach Biologen gesucht wird. Daraufhin habe ich angefangen, nach Leuten zu suchen, mit denen man an einem Projekt zusammenarbeiten kann und habe dafür Jan angesprochen. Über ihn sind dann noch weitere Teammitglieder dazugekommen.

Nils Kunst: Wir dachten, dass wir das Überflieger-Projekt in der vorlesungsfreien Zeit "mal eben" abschließen. Damals war ich im ersten Semester. Jetzt bin ich im dritten und wir sitzen immer noch hier. Da merkt man, dass so ein Projekt doch länger dauert als geplant.

Greta Sondej: Das Rexus-Programm dauert 1,5 Jahre.

Nils Kunst: Man lernt sehr viel und es lohnt sich auf jeden Fall! Zum Beispiel haben wir gelernt, technische Dinge so zu kommunizieren, dass ein Nichttechniker eine technisch korrekte Antwort geben kann.

Greta Sondej: Interdisziplinär, Think Tank und Nachwuchsförderung. Interdisziplinär, weil unsere Teammitglieder aus unterschiedlichen Fachrichtungen stammen. Jeder hat seinen Part und zusammen schaffen wir mehr. Wir sind ein großer Think Tank und setzen uns regelmäßig zum Brainstorming zusammen. Nachwuchsförderung betreiben wir. Wir haben beispielsweise bei der Langen Nacht der Bremer Museen unseren ersten Science Slam aufgeführt und unsere Untersuchungen so an die Öffentlichkeit gebracht.

Nils Kunst: Eigentlich nicht. Unsere Priorität ist, dass das Experiment funktioniert. Das Funktionieren ist an die Anforderungen geknüpft, die uns die Biologen gegeben haben.

Nils Kunst: Erstmal das Zusammenzubauen und dann die Hoffnung, dass am Ende alles passt. Wir sind gerade fertig mit dem Design. Jetzt geht es ans Umsetzen. Anschließend müssen wir einige Tests bestehen, wie beispielsweise den Shaker Test. Bei dem wird ein Teller auf einen Tisch gestellt, der sehr stark vibriert um damit einen Raketenstart nachzuahmen. Zudem müssen wir testen, ob die Elektronik zu hohe Einströme mitbringt und ob die Informatik die Signale verarbeiten kann.

Greta Sondej: Als externen Test werden wir die Foraminiferen noch in einer großen Zentrifuge an der Hochschule Bremen testen dürfen. In einer kleinen Zentrifuge wurde unser Projekt schon ausgetestet, wo alles gut funktioniert hat. Jetzt wollen wir die Foraminifere für einen längeren Zeitraum testen als es in der kleinen Zentrifuge der Fall war.

Nils Kunst: Was wir bisher erlebt haben, ist, dass es alles länger dauert als erwartet. Die Herausforderung besteht darin, es rechtzeitig zu schaffen. Und das werden wir auch!

Nils Kunst: Mich begeistert, dass man existierende Technologien, zum Beispiel aus dem Meeresforschungsbereich nimmt und die dann weltall-tauglich macht. Es gibt viele Methoden und tägliche Abläufe, die in der Schwerelosigkeit überhaupt nicht funktionieren. Luft in Schwerelosigkeit "durchblubbern" zu lassen funktioniert nicht, da keine Gravitation vorhanden ist. Mich begeistert, dass man die Dinge neu denken muss. Was auf der Erde funktioniert, funktioniert nicht einfach so im Weltall.

Greta Sondej: Mich fasziniert, Meeresbiologie in Weltraum-Umgebung bringen zu können. Also ein Extremum ins andere. Außerdem sind wir im Team alle wirklich weltraumaffin und stecken da so viel Herzblut rein und haben immer noch Lust auf das Projekt. Dabei schreiben wir ein Stück unserer Geschichte.

Nils Kunst: Genau. Unsere Geschichte mit einem dicken schwarzen Edding. Das tolle an dem Projekt ist außerdem, dass wir es aus Eigenantrieb machen. Wir haben uns selbst zusammengefunden und sind nicht von einem Professor zusammengewürfelt worden. Zudem möchte ich erwähnen: Raumfahrt und Meeresbiologie sind in Bremen sehr stark vertreten. Deshalb hat es uns gewundert, dass die Kombination aus beidem noch nicht so oft vorzufinden ist! Uns hat keiner gesagt, dass es noch niemand gemacht hat, also haben wir es gemacht. Wie die Hummel.

Nils Kunst: Weil es Spaß macht. Wir sind begeistert von der Wissenschaft und der Möglichkeit, die wir bekommen. Es ist einfacher als erwartet, an Rexus teilzunehmen. Die Verantwortlichen wollen einen mitnehmen und so ist es bei vielen Programmen in der Wissenschaft. Man muss einfach nur Lust, Motivation und eine gute Idee haben. Es macht Spaß, Dinge zu verstehen und das wollen wir zeigen.

Greta Sondej: Ja genau, wir wollen zeigen, dass das Unmögliche möglich ist. Die Begeisterung mitteilen. Geteilte Freude ist bekanntlich doppelte Freude und das ist uns wichtig. Wissenschaft macht Spaß, man sitzt nicht immer nur im Labor, wie es viele Menschen denken.

Nils Kunst: Genau. Es macht Spaß und ihr könnt es auch!

Nils Kunst: Einige unserer Teammitglieder sehen nach dem Studium zwar anderen Bereichen als der Raumfahrt entgegen, doch wir lernen durch das Projekt sehr viel. Wir haben nur einen Schuss und dafür muss alles passen. Ich möchte auf jeden Fall in der Raumfahrt bleiben. Das Systems Engineering ist ursprünglich sogar aus der Raumfahrt entstanden, mal so nebenbei erwähnt. Auch auf Bremer Raumfahrt hätte ich Lust. Ich will mich zwar nicht festlegen, sehe aber gute Perspektiven. Bremen wird in der Raumfahrt sehr unterschätzt. Viele wissen zum Beispiel gar nicht, dass der Fallturm Bremen des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen einzigartige Möglichkeiten bietet, um Projekte unter Schwerelosigkeit zu testen. Wir wollen zeigen, was Bremen cooles zu bieten hat. Hier finden wir Airbus, OHB, das DFKI, das DLR,... alles sehr viele coole Institute, die so vieles möglich machen und das möchten wir anderen gerne zeigen.

Greta Sondej: Ich sehe mich ebenfalls in der Raumfahrt, würde diese aber sehr gerne mit der Meeresbiologie verbinden. Das, was mir besonders aufgefallen ist, ist, dass die Raumfahrtbiologie noch ein sehr kleines Gebiet in Bremen ist. Ich kann mir vorstellen, dieses ein bisschen weiter aufzubauen, aber auch irgendwo anders hinzugehen und im Ausland weiterzumachen. Das ist das Schöne an der Raumfahrt. Man kann international sowie auch national arbeiten.

Wir sind gespannt, wie es für die Foraminiferen weitergeht und wünschen dem Team weiterhin viel Erfolg bei ihrem Projekt. Wer weiß, vielleicht kommen wir mit dem Projekt in der Raumfahrtmedizin einen Stück weiter?

Aktuelle Informationen rund um das Projekt finden Sie auf der Forarex-Website. Folgen Sie dem Team gerne auch auf Facebook, Twitter und YouTube!

Die Kammer der Foraminifere
Junge Frau arbeitet im Kittel am Labortisch
Eine junge Frau guckt in ein Mikroskop

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